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Geschichte

Friedlandglocke

Quelle: Innere Mission

Seit 1945 – Hilfe und Betreuung an "Leib und Seele"

78 Jahre Diakonie im Grenzdurchgangslager Friedland   -   Bewegte Jahre – Erzählte Geschichte

Wenige Wochen nach der Einrichtung des Lagers Friedland durch die britische Armee im Sommer 1945 waren auch Helferinnen und Helfer der Inneren Mission vor Ort, seit den Anfängen ist also die evangelische Kirche hier aktiv dabei. Wilhelm Tomm, Chronist der Diakonie in Friedland, beschrieb die Aufgabe im November 1945: „Keine Zeit mit Worten zu verlieren und der schreienden Not ringsum entsprechend den Anfang zu wagen.“

Für über 4 Millionen Menschen war das Lager seither die erste Anlaufstation auf dem Weg in ein neues Leben. Nach der Aufnahme der Flüchtlinge und Vertriebenen der Anfangsjahre folgte jene Zeit, die den Mythos Friedlands als „Tor zur Freiheit“ begründete, die Heimkehr der 10.000. Diese letzte große Gruppe von Kriegsgefangenen kam 1955/56 in Buskolonnen über Friedland in Deutschland an, empfangen vom Klang der Heimkehrerglocke, ersehnt von Vielen mit Bangen und Hoffen.  Manche Träne des Glücks ist hier geflossen, noch viel mehr Tränen bitterer Enttäuschung wurden im Stillen geweint. 

Auf die Heimkehrer folgten die Aussiedler, später Flüchtlinge aus Ungarn, Chile, Vietnam, bald aus allen Krisenregionen der Welt. Dabei war Friedland stets mehr als ein Aufnahmelager, immer zugleich auch ein politisch aufgeladenes und spannungsvolles Symbol:  Wie durch ein Brennglas sind die Wechselfälle des großen Weltgeschehens hier in einem kleinen Dorf in Südniedersachsen zu verfolgen. 

Torsten-Wilhelm Wiegmann, seit September 2020 Lagerpastor in Friedland, hält fest: „Natürlich hat sich Vieles über die Jahre geändert. Doch die Not der Menschen bleibt dieselbe. Und der Auftrag für die Innere Mission auch: Betreuung und Unterricht in sicherer Umgebung, Beratung und Orientierung, um neue Perspektiven zu gewinnen, praktische Hilfe für die ersten Schritte in ein neues Leben. Dazu wollen wir beitragen.“

Neben den Landes- und Bundesbehörden und gemeinsam mit der Caritas und der Friedlandhilfe e.V. sind heute die 22 Mitarbeitenden der Inneren Mission im Lager aktiv. Sie kleiden die Ankommenden ein, betreuen die Kinder, vermitteln die ersten deutschen Worte und Gebräuche, beraten und helfen in allen Nöten und Herausforderungen. Swetlana Aoul, langjährige Mitarbeiterin in der Kinderbetreuung, bringt es auf den Punkt: „Das erste, was du als Mitarbeiter in Friedland brauchst, ist Flexibilität. Und das zweite ist das Miteinander, denn nur gemeinsam bekommen wir das hin.“ 

Für rund 800 Bewohnerinnen und Bewohner ist das Lager mittlerweile eingerichtet, um sie regulär zu versorgen und zu betreuen. Doch was heißt in Friedland schon regulär? Unvergessen sind die Bilder von 2015/16, als zeitweise über 3000 Menschen hier Zuflucht fanden, im Stehen essen und auf den Bürofluren übernachten mussten. 

Heute geht es ruhiger und geordnet zu, doch noch immer sind stets einige hundert Menschen vor Ort. Alle Spätaussiedler, die in Deutschland ankommen, reisen über Friedland ein und erledigen hier die ersten Formalitäten, bevor sie auf die neuen Wohnorte verteilt werden. Bei diesen ersten Schritten unterstützt sie die Migrationsberatung der Inneren Mission, bei konkreten Anliegen zu Ausbildung und Abschlüssen auch die Bildungsberatung.  

Unter den Geflüchteten, die Friedland erreichen, sind einige, die durch die Asylverfahrensberatung der Inneren Mission fachlichen Rat für ihren Antrag erhalten. Auf die besonderen Bedürfnisse geflüchteter Frauen gehen die Mitarbeiterinnen des Frauenzentrums ein. So hilft etwa die Hebammensprechstunde mit Dolmetscherin, sowohl sprachliche als auch kulturelle Hürden und Missverständnisse abzubauen.

Die Lagerkapelle (die einzige Einrichtung dieser Art an den Standorten der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen) hat in diesem Zusammenhang noch einmal eine zusätzliche Bedeutung gewonnen. Nicht nur als Stätte des Gottesdienstes und Station auf dem Pilgerweg Loccum – Volkenroda wird sie genutzt, sondern auch als persönlicher Ort der Stille, zum Innehalten, Beten und Entzünden einer Kerze, mitten im geschäftigen Betrieb draußen vor der Tür.

Die eingangs genannte Chronik von Wilhelm Tomm dokumentiert die Arbeit im Lager Friedland nur bis in die 1980er Jahre. Doch ihr Titel passt bis heute: „Bewegte Jahre – Erzählte Geschichte“. 

Über den Alltag und die Überraschungen  der Arbeit informiert die Rubrik „Aktuelles“ auf der Homepage www.innere-mission-friedland.de